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Ist der 1. FC Saarbahn am Ende?

Reinhard Wilhelm

Eine weitere traditionelle Saarbrücker Bastion wankt; der 1. FC Saarbahn steht vor dem Aus. Der Vergleich, vielleicht sogar der Konkurs erscheinen unausweichlich. Der Deutsche Verkehrsbund (DVB) droht mit dem Lizenzentzug. Damit müßte der Verein die zweigleisige Bundesliga verlassen. Der langjährige Sponsor, die städtische Strom-, Gas, und Wasserversorgung kündigte seinen Vertrag. Präsident Norbert Walter steht nach langjährigem Einsatz vor den Trümmern eines weiteren Lebenswerks. Die Gefahr, daß er sich den Freistoß gäbe, wird allerdings von Eingeweihten für äußerst gering gehalten.

Es zeigte sich, wie schon beim 1. FC Saarbrücken, daß der Wirtschaftsplan unsolide kalkuliert war. Die eingeplanten Zuschauerzahlen wurden nie erreicht. Tödlich war dann die Kürzung der ungerechtfertigt in den Wirtschaftsplan eingesetzten Bundeszuschüsse. Die Spielergehälter konnten schon zwei Monate nicht mehr beglichen werden. Protestierende Spieler blockieren seit Tagen mit ihrem Spielgerät den städtischen Verkehr an neuralgischen Punkten wie der Arndtstraße und der Kaiserstraße.



Technische Schwächen

Die technischen Schwächen der Mannschaft waren eklatant. Kam sie wie weiland Günther Netzer noch recht schnell aus der Tiefe des (lothringischen) Raums - wenn auch ohne großes Publikumsinteresse -, so scheiterte sie schnell, wenn gegnerische Mannschaften kantige Liberos wie etwa Saraphon in ihren Weg stellten. Dann zog sie sich auf das für die deutsche Nationalmannschaft typische Querpaßspiel zurück, wechselte entschlußlos in der Kaiserstraße von Flügel zu Flügel. Kein Stan Libuda, kein Litbarski stand zur Verfügung, um den Bingert-Riegel in der Nauwieserstraße zu durchstoßen. Die Stürmer landeten meist bei ihren unüberlegten Angriffen im Abseits, und im Mittelfeld fehlte die solide Aufbauarbeit. Es rächte sich die Verbannung der Radfahrer aus dem zentralen Mittelfeld. Andere wichtige Gruppen wie Handel und Gewerbe fanden nie die richtige Anbindung an das Spielgeschehen und blieben von ihm abgeschnitten. Über der notwendigen Großspurigkeit wurde das Spiel auf engstem Raum vernachlässigt. Zuletzt waren selbst Provinzvereine wie Riegelsberg und Heusweiler zu stark für den Haupstadtverein. Man hatte der deutschen Nationalmannschaft häufig vorgeworfen, daß sie sogenannte Standardsituationen wie Eck- und Freistöße nicht beherrsche. Beim 1. FC Saarbahn zog man daraus den ungerechtfertigten Schluß, daß das Spiel nur aus Standardsituationen, sprich fließendem Verkehr bestehe, und zeigte sich äußerst überrascht, daß das Spielgeschehen sich an diese eingeschränkte Weltsicht nicht halten wollte. Schon eine Verletzungspause, ein Umzug oder eine öllieferung blockierte das Spiel nachhaltig. Man sah zu spät ein, daß man für das Spielgeschehen eine gewisse Flexibilität braucht.



Zusammenspiel mit der Bundesbahn

War Norbert Walter schon der verzweifelte Versuch mißglückt, mit einer Vereinigung von 1. FC Saarbrücken und FC Homburg sportlich und finanziell den Saarfußball in der Bundesliga zu halten, so sollte sein neuer Verein aus dem Zusammengehen mit der Bundesbahn seine Hauptstoßkraft beziehen. Leider vergaß er zu erkunden, ob auf der Bundesbahnseite überhaupt ein Interesse am Zusammengehen bestand. Das verbesserte seine Verhandlungsposition nicht gerade. Auf einer feuchtfröhlichen Weihnachtsfeier bei der Bundesbahndirektion soll sogar die Idee lanciert worden sein, jeden von der Saarbahn zu befahrenden Gleismeter vom Aufsichtsratsvorsitzenden mit Küssen in Woytila-Manier begrüßen zu lassen. Außerdem wurde die alte Fußballerweisheit ignoriert, daß man auf rutschigem Gelände das Spiel flach halten muß. Über diese Höhe, gegeben durch Bahnsteigkanten- und Wageneinstiegshöhe, bestanden Verständigungsprobleme mit der Bundesbahn, die die Zusammenarbeit massiv erschwerten.



Foulspiel

Einsame Spitze war die Mannschaft beim Foulspielen. Handel und Gewerbe wurden geschickt angetäuscht, indem man ihnen zwei verbleibende Autospuren in der Kaiserstraße versprach, ihre Meinung unter diesen Voraussetzungen einholte, dann den Raum zumachte und sie ständig ohne Ball sperrte. Was war ein Wienerwald ohne Hähnchenzuspiel, was der Buchhandel ohne lange Bücherflanken. Nur die Banken frohlockten. Sie blieben gänzlich unbehelligt von Bankeinbrüchen, da man nicht einmal mehr ein Fluchtauto vernünftig abstellen konnte. Die Bewohner des Nauwieserviertels mußten Ähnliches erleben. Hatte man ihnen gerade erst durch Absperrung der Schmollerstraße und durch Begrünung und Beruhigung der Nauwieserstraße fast eine innerstädtische Idylle gegönnt, so wurde letztere gnadenlos zur Stadtbahnschneise degradiert. Kein Straßenbaum überlebte im Schwenkradius der Stadtbahnwagen. Die Bürgersteige wurden auf die Breite zweier Fußballstiefel reduziert. Überdies verdiente sich Vorstopper Heckelmann durch ruppige Spielweise schlechte Noten weit über die Stadtgrenzen hinaus.



Umfeld

Das chaotische Mangement wurde oben schon gewürdigt. Aber es gibt im Umfeld weitere erwähnenswerte Errungenschaften, etwa die Stadionzeitung S-Press. Sie glänzt in ihrer Nummer 1 mit einigen Photos von männlichen Models, die als Norbert Walter, als Dr. Heinrich und als Hotline-Mitarbeiter posieren. Die Wahl der Models für Walter und Heinrich irritiert. Als Walter-Double hätte man jemand wählen müssen, der einen Hauch von Seriosität, und als Heinrich-Double jemand, der eine gewisse innere Überzeugung von der Sache ausstrahlt. Die Hotline-Ankündigung hätte davon profitiert, daß unter der angegebenen Telefonnummer jemand zu erreichen gewesen wäre. Dem Autor mancher Artikel sind offensichtlich Phantasie und Begeisterung durchgegangen. Einer ist so verwirrt, daß er sich zu waghalsigen Zahlenspielen hinreißen läßt. Demnach werden die Saarländer in großen Zahlen nicht nur außer sich vor Begeisterung sein, sondern auch noch neben sich in der Saarbahn sitzen und gleichzeitig rechtshändig aus dem offenen Fenster eines ihrer mehreren PKWs steuern.



Vereinsgeschichte

Blenden wir zurück in die Geschichte des Vereins, seine wenigen Höhe- und vielen Tiefpunkte. Sie war gekennzeichnet von einem Auseinanderklaffen von Anspruch und Realisierbarkeit. Sollte die Umbenennung von 1. FC Stadtbahn in 1. FC Saarbahn auch dokumentieren, daß hier ein Verein der Landeshauptstadt für das ganze Land antrat, so rochen die Vereinsführer in Homburg, in Merzig und St. Wendel bald, daß dieser Anspruch nur im exklusiven Zugriff auf die den saarländischen Vereinen zustehenden Bundeszuschüsse bestand. Die Erweiterung der Spielstätte scheiterte schließlich daran, daß nicht alle Saarländer im gleichen Verein kicken wollten. Zeigte Karlsruhe, wie auch ein Provinzverein bei geeigneten Voraussetzungen in der obersten Klasse mithalten kann, so übersah man in Saarbrücken, daß dazu ein grundsolides Management, eine langfristige, realisierbare Planung und großer Rückhalt in der Bevölkerung gehören. Was bleibt von der Geschichte des 1. FC Saarbahn? Es bleibt die Verlegung des Spielbetriebs in belebtere Gegenden. Es bleiben die Reminiszenzen an die Verkehrstaus in der Stadt, wann immer der Verein zum Spiel antrat. Andererseits bot die große Spurbreite der Saarbahn gleich die Kur für die Verkehrsblockade der Innenstadt an, da zahlungswillige Autofahrer auf Autoreisezügen der Bundesbahn reibungslos von der Mainzerstraße bis zur Westspange transportiert werden konnten. Es bleibt die verdienstvolle Anbindung der Spielersiedlung des 1. FC Saarbrücken in Spicheren an das städtische Verkehrsnetz. Natürlich bleibt die Erinnerung an eine weitere Glanzleistung in der langen, nun beendeten Managementkarriere von Norbert Walter. Und es bleiben den Vereinsmitgliedern viele, viele Hundertmillionen an Schulden, die noch Generationen abzustottern haben werden.